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Innovative Forschungskooperation „Tele-Kasper“

Dr. Stefan Moritz (r.) und Prof. Dr. Johannes Hübner zeigen die Möglichkeit des telemedizinischen Konsils, das im Rahmen von „TELE-KASPER“ angeboten wird. Dr. Stefan Moritz (r.) und Prof. Dr. Johannes Hübner zeigen die Möglichkeit des telemedizinischen Konsils, das im Rahmen von „TELE-KASPER“ angeboten wird. Fotostelle UKH

„Tele-Kasper“ soll Einsatz von Antibiotika bei Kindern um mindestens 20 Prozent verringern

Noch immer werden in deutschen Kinderkliniken und Kinderarztpraxen zu häufig und oft unnötig Antibiotika verschrieben. Ein interdisziplinäres Team um Infektiologe Dr. Stefan Moritz vom Universitätsklinikum Halle (Saale) und Prof. Dr. Johannes Hübner, Infektiologe im Dr. von Haunerschen Kinderspital am LMU Klinikum in München, möchte dies ändern: Die Experten haben ein Projekt namens TELE-KASPER initiiert, das mittels Telemedizin und einer App die Antibiotika-Gabe bei Kindern optimieren und den Verbrauch um mindestens 20 Prozent reduzieren soll.

 

TELE-KASPER steht für „Telemedizinisches Kompetenznetzwerk Antibiotic Stewardship in Pediatrics“. Mit diesem Projekt wollen vier deutsche Universitätsmedizinen mittelfristig den Antibiotika-Einsatz bei Kindern um mindestens 20 Prozent verringern. Beteiligt sind daran primär das Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), das Universitätsklinikum Halle (Saale), das Universitätsklinikum Essen und das Universitätsklinikum Homburg (Saarland) sowie weitere Partner, wie regionale Krankenhäuser und die AOK Bayern. Die statistische Begleitung und Evaluation liegt für alle Standorte beim Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Prof. Rafael Mikolajczyk). Das auf drei Jahre angelegte Projekt wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GB-A) insgesamt mit rund 7,7 Millionen Euro gefördert und startet im Oktober 2020. Die Universitätsmedizin Halle erhält von den Projektmitteln insgesamt 2,5 Millionen Euro. 

 

„Geplant ist, ein infektiologisches Netzwerk aufzubauen und eine App zu entwickeln. Mittels Telemedizin und App als Kommunikationsmittel können sich Kinderärztinnen und -ärzte umliegender nicht-universitärer Krankenhäuser zum Einsatz von Antibiotika von Experten beraten lassen. Damit stehen kompetente Ansprechpartner für eine gesamte Region zur Verfügung“, sagt Dr. Stefan Moritz, der am Universitätsklinikum Halle (Saale) für das Projekt verantwortlich ist und dieses gemeinsam mit Prof. Dr. Johannes Hübner und Dr. Ulrich von Both vom Klinikum der LMU entwickelt hat.

 

„Wir möchten gemeinsam mit den Kollegen aus Halle das Konzept in der Regelversorgung etablieren und hoffen darauf, dass uns dies mit unserem interdisziplinären Ansatz gelingen wird. Unsere Erfahrung zeigt uns, dass wir handeln müssen“, so Prof. Hübner, Leiter der Abteilung für Infektiologie im Dr. von Haunerschen Kinderspital des LMU-Klinikums München.

Des Weiteren wurden Partner gesucht, die mit den Universitätsklinika in Essen und Homburg gefunden wurden. „Die Regionen weisen verschiedene Besonderheiten auf, wie beispielsweise Distanzen zwischen Krankenhäusern, hohe und mittlere Bevölkerungszahlen und die Einbettung in eher strukturschwache oder strukturstarke Regionen. Auf diese Weise haben sie Modellcharakter für andere Regionen in Deutschland“, sagt Moritz. Perspektivisch sei dieser Ansatz für ganz Deutschland und inklusive niedergelassener Medizinerinnen und Mediziner denkbar sowie auf den Antibiotika-Einsatz bei Erwachsenen erweiterbar.

 

Mit der App werden verschiedene Optionen geboten: Sie enthält einen Antiinfektiva-Leitfaden, es können aber dank des Telemedizin-Ansatzes auch gezielt Anfragen gestellt und Patientenfälle geschildert werden. Eine Antwort gibt es entweder direkt per Kurznachricht oder auch per Videokonferenz in Form eines telemedizinischen Konsils. Weitere Optionen seien wöchentliche Fallkonferenzen mit mehreren Partnern sowie Fortbildungen für medizinisches Personal, so Moritz und Hübner.

 

„Uns geht es darum, dass die kleinen Patientinnen und Patienten gut behandelt werden. Dazu gehört, dass die Notwendigkeit einer antibiotischen Behandlung genau geprüft wird und sollte diese gegeben sein, diese mit der am besten passenden und gezielt wirkenden Substanz in der richtigen Dosierung erfolgt. Das medizinische Personal soll mit der App und uns als Ansprechpartner Ratgeber an die Seite bekommen. Unser Ziel ist es, dass mit besseren Kenntnissen, Fallbesprechungen und Austausch untereinander mittelfristig die Antibiotika-Gaben rationaler erfolgen, dadurch gesenkt werden können und folglich auch dem Entstehen von Resistenzen entgegengewirkt wird“, verdeutlicht Moritz. Die Rate multiresistenter gram-negativer Erreger nehme seit Jahren stetig zu, was auf den nach wie vor zu hohen Verbrauch an Antibiotika zurückzuführen sei. Dadurch seien insbesondere kleine Patienten der Neonatologie oder Hämato-Onkologie gefährdet, bei denen Behandlungen nicht anschlagen. Es gebe zudem zahlreiche Hinweise, dass eine Antibiotika-Gabe im ersten Lebensjahr das Risiko erhöhe, später an Übergewicht, Asthma oder Autoimmunkrankheiten zu erkranken, so Moritz.

 

Die vier Universitätsklinika fungieren laut Moritz als sogenannte „Hubs“, also Zentrum, für umliegende Krankenhäuser mit Kinderstationen. Das LMU Klinikum nimmt eine zentrale Stellung ein und stellt sowohl die Konsortialführung als auch die ärztliche Projektleitung für das Gesamtnetzwerk. An allen Standorten sind insgesamt 35 Kliniken aus der jeweiligen Umgebung involviert, die von den jeweiligen Hubs über 27 Monate hinweg beraten werden. Das Universitätsklinikum Halle bildet den Hub, also den Ansprechpartner, für die Krankenhäuser vornehmlich im südlichen Sachsen-Anhalt. „Wir haben seit acht Jahren einen recht konkreten Leitfaden für das UKH zum Einsatz von Antibiotika, auch im pädiatrischen Bereich, und bieten unseren eigenen Ärztinnen und Ärzten, aber auch bei der Landesärztekammer seit 2018 einen mehrtägigen Fortbildungskurs an. Die Erfahrung zeigt ganz klar: Der Bedarf ist definitiv da und das nicht nur bei uns“, sagt Moritz.

Quelle: Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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